Sport Austria-Präsident Niessl: „Soforthilfe von mindestens 100 Mio. Euro überfällig“
Sport Austria (Bundes-Sportorganisation) hat mit seinen Dach- und Fachverbänden viel Know-How in die Erarbeitung eines Hilfspakets für die 15.000 österreichischen Sportvereine investiert. Dass Entschädigungszahlungen an den Sport fließen werden, hat Sportminister Werner Kogler nach mehreren konstruktiven Gesprächen mit dem organisierten Sport auch mehrmals bestätigt. Da aber noch keine Gelder geflossen sind, wird die Situation vieler Sportvereine immer prekärer.
Sport Austria-Präsident Hans Niessl am Mittwoch in einem Pressegespräch in Wien: „Die Soforthilfe von mindestens 100 Millionen Euro ist inzwischen überfällig! Vielen Vereinen gehen die liquiden Mittel aus… Wir haben konstruktive Gespräche mit dem Sportministerium geführt, haben unser Know-How eingebracht, Kriterien entwickelt und sind dabei auch auf großes Verständnis gestoßen. Das war alles okay, jetzt ist aber keine Zeit mehr zu verlieren. Wir müssen endlich in die Umsetzung kommen! Derzeit scheitert diese an bürokratischen Fragen der Abwicklung. Das Ministerium strebt einen gemeinsamen Topf für alle gemeinnützigen Organisationen an. Diesen zu kreieren, ist aber aufgrund der Unterschiedlichkeit der Organisationen ein sehr schwieriges, zeitraubendes Unterfangen. Und Zeit haben wir keine mehr! Deshalb plädieren wir nach wie vor für einen eigenen Hilfstopf für den organisierten Sport, der beispielsweise über die Bundes-Sport GmbH unbürokratisch, transparent, vom Rechnungshof prüfbar und vor allem sofort abgewickelt werden kann.“
Info an zwei Millionen Sportvereinsmitglieder
Die weitere Vorgehensweise von Sport Austria beschreibt Niessl folgendermaßen: „Natürlich werden wir weiterhin mit dem Sportministerium unsere guten Gespräche fortsetzen und nach einer raschen Lösung suchen. Davon abgesehen, ist es aufgrund der historisch schwierigen Situation, in der sich unser Spitzen- und Breitensport wegen der Corona-Krise befindet, unsere Verantwortung, dass wir in spätestens zwei Wochen die zwei Millionen Mitglieder der 15.000 Sportvereine über einen offenen Brief über den genauen Stand der Dinge informieren: Entweder, und davon gehe ich aus, danken wir dann auch auf diesem Weg der Regierung und berichten den Mitgliedern, dass ihre schuldlos in Schwierigkeiten gelangten Vereine Hilfsgelder erhalten werden, oder aber wir müssen sie darüber informieren, woran es noch immer scheitert und welch gewaltige Folgen das für die österreichische Sportstruktur und damit auch für das österreichische Gesundheitssystem haben könnte.“
Als Sofortmaßnahme sei das „Kraftpaket“ über mindestens 100 Millionen Euro überfällig. Danach sollten weitere Unterstützungsgelder fließen, wenn der tatsächliche Schaden bekannt ist. Wichtig ist jedenfalls, dass der Sport einen eigenen Hilfstopf erhält.
Bei Entschädigungsmodellen ist der Sport Austria-Ansatz folgender: Entweder Ersatz des Einnahmenausfalls unter Berücksichtigung von ersparten Ausgaben oder Ersatz der Fixkosten und/oder projektbezogenen Kosten (z.B. Veranstaltungen), die wegen entfallender Einnahmen nicht mehr gedeckt werden können.
„Vereine haben durch Ligaabbrüche, Absagen von Veranstaltungen oder Verschiebungen finanziell extreme Einbußen“, stellte Michael Eschlböck, Sport Austria-Vizepräsident Leistungs- u. Spitzensport, klar. Es sei allerhöchste Zeit, dass der Hilfsfonds steht. „Nicht für alle, aber für einige Vereine wird es schon sehr eng. Wenn es diese Unterstützung nicht in Kürze gibt, wird es für manche Vereine heißen ‚end of game‘! Das können wir nicht wollen. Alle müssen jetzt ihren Job machen, damit kein Verein sterben muss!“
Paul Haber, Präsident ASVÖ Wien, unterstrich, wie wichtig der Breitensport in unserer von einem westlichen Lebensstil geprägten Gesellschaft sei – für Jugendliche, Erwachsene und Pensionisten gleichermaßen. „Übergewicht ist Grundlage für allerlei Erkrankungen, Bewegungsmangel die Seuche des 21. Jahrhunderts“, so der Sportmediziner. „Alle sogenannten Zivilisationskrankheiten werden durch Bewegungsmangel massiv gefördert und können durch regelmäßige Bewegung verzögert oder gar verhindert werden. Ein erheblicher Teil an körperlicher Bewegung findet in unseren 15.000 Vereinen statt. Abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt: Ohne unsere Vereine würde das soziale Leben in Österreich zum Teil zusammenbrechen. Der organisierte Sport verlangt also nicht nur finanzielle Hilfe aus Selbstzweck!“
SPORTUNION-Präsident Peter McDonald forderte „ein Comeback für den Sport in Österreich mit Herz und Hirn“, denn das Vereinsleben gehöre zur österreichischen DNA. „Unsere gemeinnützigen Sportvereine brauchen rasch einen Schadensausgleich und Planungssicherheit für die kommende Saison.“
Keinen Zweifel über die Notwenigkeit eines sportspezifisches Hilfspaket ließ auch Präsident ASKÖ Hermann Krist: „Die Frage ist, gilt die Aussage ‚Koste es was es wolle‘ nur für den Wirtschaftsbereich oder dürfen auch wir uns angesprochen fühlen? In anderen Bereichen sind schon Gelder geflossen, der Sport ist aber seit vier Wochen Bittsteller. Wir haben nicht das Gefühl, dass die Gefährlichkeit der Situation erkannt wird. Wir hoffen, dass wir nun endlich gehört werden und der Sport-Hilfsfonds jetzt und nicht erst übermorgen kommt!“
Typische Schäden, die während der Corona-Krise in Sportvereinen auftreten:
- Einnahmenentfall aus Veranstaltungen wie Laufveranstaltungen, Regatten, Turniere, Meisterschaftsbetrieb etc.
- Einnahmenentfall aus dem Kantinenbetrieb
- Einnahmenentfall von Mieten durch das Sportstätten-Betretungsverbot für Sportvereine, die Sportstätten betreiben. Fixkosten wie Kredite, Betriebskosten, Pacht und Personal laufen trotzdem weiter.
- Einnahmenentfall aus Sponsorgeldern. Dieses Problem wird auch noch lange nachwirken. Es ist noch unabsehbar, wie viele Sponsoren im Herbst oder 2021 Vereine noch unterstützen können.
- Einnahmenentfall aus TV-Rechten, Vermarktung etc.
Warum dem Sport geholfen werden muss:
- Jeder in Sport investierte Euro hat einen ROI von 1:4
- Ehrenamtliche haften persönlich für ihr Engagement für die Gesellschaft -> nun für eine von ihnen unverschuldete Krise
- 330.000 Arbeitsplätze sind direkt und indirekt durch den Sport betroffen
- 576.000 ehrenamtliche Tätige wollen/müssen wissen, wie es weitergeht
- In „Normalzeiten“ löst Österreichs Sport direkt und indirekt (inkl. Wintertourismus) volkswirtschaftlich rund 18 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung aus
- In „Normalzeiten“ sparen Sport und Bewegung in Österreich dem Staat jedes Jahr bis zu 530 Mio. Euro (0,2% des BIP) – dabei sind bereits durch Sport entstandene Unfallkosten berücksichtig
PM/RED